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Joggen war gestern, heute
ist Lustlaufen − Jan. 2005
> Das Problem −
Frustlaufen
> Die
Analyse
> Die
Lösung − Lustlaufen
> Die
Schpaz-Tabelle
> Weitere
Anregungen zum stressreduzierten Laufen
Das
Problem − Frustlaufen
Welcher Hobbyjogger kennt
das nicht: unzählige Rechenexempel, bei welcher Pulsfrequenz
und welchem Alter man wie lange oder wie weit laufen soll, um welchen
Fitnessstand zu erreichen. Folgt man dann den unterschiedlichen
Rechenarten, ist man meistens schnell unzufrieden. Einmal
fühlt man sich unterfordert und gelangweilt, das andere Mal
das Gegenteil, und man beginnt, dem nächsten Joggingtermin mit
Unbehagen oder Unwillen entgegenzusehen.
Immer mehr denkt man
sich, das kann's doch nicht sein, und erledigt die
Fitnessübung nur noch aus Angst vor Übergewicht und
Herzinfarkt.
Der Ansatz, mit
technischem Gerät (z. B. Pulsmesser) Zahlenwerte als Input
für Rechenformeln zu produzieren, die einem dann die
Trainingssollleistung vorgeben, klingt zwar sehr wissenschaftlich und
vertrauenserweckend, die Resultate sind aber meist deprimierend.
Die
Analyse
Was dem industriellen
Menschen meist fehlt, sind gewachsene persönliche
Positiverfahrungen seiner Leistungsfähigkeit. Die
Sportartikelindustrie ist Hand in Hand mit Sportprofessoren
natürlich gerne bereit, das Manko mit technischem Equipment
und Rechenmodellen zu überbrücken, das
wünschenswerte Ergebnis (Zufriedenheit) wird damit aber meist
nicht erreicht.
Was man braucht, sind
einfache Merkregeln ohne viele Variablen und Wenns und Abers.
Merkregeln, die ohne großen Technik- und Mathematikaufwand
anwendbar und trotzdem (deswegen) zuverlässig sind.
Maßstäbe, die nicht nur über den
Leistungsgedanken motivieren.
Erleuchtung!
Und siehe da, nach drei Jahren Jogging (und einigen Unterforderungen
und vielen Überforderungen) entdeckte ich beim
gedankenverlorenen Jogging die einfache Regel für das optimale
Wohlfühllaufen.
Die
Lösung − Lustlaufen
Das
Warmlaufen: Die ersten 10
Minuten sind Warmlaufen. Das heißt: Jeder Leistungsgedanke
ist verboten. Man hört ein bisschen in sich hinein,
prüft ob die Nackenmuskulatur hart ist oder schmerzt, bemerkt,
wie die Luft riecht, und versucht, die guten Seiten des vorherrschenden
Wetters zu genießen, solche Sachen halt.
Das
Zählen: Beim
Dauerlaufen synchronisiert sich die Atmung mit den Schritten. Der
mathematische Zugang zum Lustlaufen führt über die
Zählung der Schritte pro Atemzyklus (= Schpaz). Ein Atemzyklus
ist Einatmen und Ausatmen. Beim angenehmen Leistungslaufen (Lustlaufen)
hat man zum Beispiel 4 Schritte pro Atemzyklus, beim relaxten
Lockerlaufen hat man 6 Schritte pro Atemzyklus. Vor dem
Übergang zu 3 Schritten pro Atemzyklus (Harakirilaufen),
beginnt man, glatt ein- und auszuatmen (Stresslaufen), das
heißt, es ist keine Zeit mehr für die sonst
übliche kurze Unterbrechung beim Aufsetzen des Fusses jeweils
beim Ein- und Ausatmen.
Nach dem Warmlaufen
sollten man 6 Schritte pro Atemzyklus haben.
Man sollte es sich nicht
zur Regel machen, bei 6 Schritten pro Atemzyklus mit glatter Atmung zu
laufen. Das führt zu einem ständigen leichten
Sauerstoffmangel und unnötig hohem Puls (Stresslaufen).
Das
Allgemeine: Es ist
vielleicht noch wichtig zu erwähnen, dass es sinnvoll ist,
kurze, schnelle Schritte zu machen. Dadurch steigt die Atemfrequenz und
damit die Sauerstoffversorgung, gleichzeitig reduziert sich der
Kraftaufwand. Lange Schritte bei niedriger Frequenz erschweren
Lustlaufen.
Bei Steigungen sollte man
nicht versuchen, Druck zu machen, um die Geschwindigkeit zu halten.
Besser ist es, die Schrittlänge zu reduzieren und den
Kraftaufwand nicht zu erhöhen. Über kurze Strecken
100 bis 200 Meter kann man sich schon mal eine glatte Atmung zumuten.
Bei Gefällen
kann man − wenn man noch genügend Reserven hat
− testen, ob man durch vorsichtiges Erhöhen der
Schrittfrequenz die Geschwindigkeit steigern kann.
Das
Lustlaufen: Was zu sagen
ist, ist eigentlich gesagt. Dass man lustläuft. merkt man
daran, dass man nach einer halben bis dreiviertel Stunde Laufen
plötzlich erkennt, dass einen die Evolution genau
dafür konstruiert und ausgestattet hat, und man gerade nichts
anderes lieber machen würde als laufen.
Und spätestens
nach zwei Tagen will man wieder laufen (lustlaufen).
Schpaz1 |
Beschreibung,
Anmerkung |
Empf. |
6 |
relaxtes
Lockerlaufer, tendenzielle Unterforderung; aber langsam laufen ist
besser als nicht laufen |
+ |
6* |
langsames
Stresslaufen; mit leichtem Sauerstoffmangel, wenn man das
Gefühl hat, der Brustkorb wäre zu klein |
+/− |
5 |
Laufen
für Rhythmusfreaks; Normalbegabte halten das nur kurze Zeit
durch |
+ |
4 |
Lustlaufen;
angenehmes Leistungslaufen; wer dann noch auf den berühmten
Endspurt verzichtet, hat alles richtig gemacht |
+++ |
4* |
Leistungslaufen;
man braucht etwas Erfahrung, um nicht zu sehr mit Sauerstoffmangel zu
laufen |
+/− |
3* |
Harakirilaufen;
wer aus Gesundheitsgründen läuft, kann gut auf Spurts
verzichten |
−
− − |
1Schritte
pro Atemzyklus, * bei
glatter Atmung
Weitere Anregungen zum stressreduzierten Laufen
Grundsätzliches:
- In erster
Linie
läuft man für sein eigenes Wohlempfinden.
Nicht
für andere Läufer oder Spaziergänger (s. g.
Showlaufen); nicht gegen
andere Läufer (Wettlaufen) und nicht gegen seinen
inneren Schweinehund (Jogging).
- Ein Lauf sollte
wenigstens eine
dreiviertel Stunde
dauern und sollte nicht
länger als eine Stunde dauern. Wenn man wesentlich
länger als eine Stunde laufen will, sollte man
durch vorhergehendes Aufbautraining sicherstellen, dass der Lauf nicht
durch Übermüdung der Beinmuskulatur zu Lasten der
Bänder und Gelenke geht.
- Man sollte
nicht versuchen (wie bei 6*), einen
Schpaz-Wert willentlich zu erzwingen.
Im Zweifelsfall sollte man lieber schneller Atmen oder langsamer laufen
oder kleinere (schnellere) Schritte machen.
- Am Berg sollte man mehr Augenmerk auf die Intensität
als auf die Geschwindigkeit legen. Bleibt die Intensität gleich
wie im Flachen, verliert man zwar Geschwindigkeit ist oben aber nicht
total ausgepowert. Weiter sollte man darauf achten, dass die
Schrittfrequenz nicht absinkt (das würde zu einer Reduzierung der
Atemfrequenz führen).
- Berg ab sollte man versuchen den Zusatzschub in eine höhere
Schrittfrequenz fließen zu lassen. Das erhöht die
Atemfrequenz und damit die Sauerstoffversorgung. Kann man die
Schrittfrequenz beibehalten, hat man für den weiteren Lauf einen
dicken Pluspunkt.
- Vor allem männliche Läufer neigen zu
großen Schritten. Das sieht zwar athletisch aus, kostet
aber unnötig viel Kraft. Kleinere Schritte schonen den ganzen
Laufaparat, führen zu einer erhöhten Atemfrequenz und
verbessern dadurch die Sauerstoffversorgung.
- Hat man sich mal verschätzt und lagert sich das Lactat
bleiern in den Beinmuskeln ab, hat man meistens noch die
Wahlmöglichkeit durch Geschwindigkeitsreduzierung einen
erträglichen Lauf zu bekommen. Je früher man die
Geschwindigkeit anpasst desto früher und länger ist das
Laufen wieder schön.
- Gelenkschmerzen am Tag danach (Gelenkkater).
Manche Leute neigen zu Gelenkkater. Das sind leichte
Entzündungen in/um Gelenke nach körperlicher Anstrengung.
Dagegen hilft, nach dem Laufen z. B. ein
belegtes Brötchen mit ein paar Zwiebelringen zu
essen. Gebratene Zwiebeln funktionieren auch. Die
Zwiebelstückchen sollten aber noch einen möglichst
großen glasigen Kern haben. Zwiebeln enthalten
entzündungshemmende Stoffe, die hier ebenso gut wirken
wie entzündungshemmende Schmerzmittel.
Hinweis: Rohe und angebratene Zwiebel können Mund, Speiseröhe und Magen reizen
− in Maßen anwenden.
- Laufen und Endorphine. Witzigerweiße
produziert der Körper unter Stressbedingungen allerhand Stoffe,
die mildernd wirken. Das heißt, wenn ich mich beim Laufen total
verausgabe, werden viele Endorphine produziert. Sinnvollerweise
führen die Stoffe, dann aber nur dazu, dass ich mich weniger
schlecht fühle. Die Kunst ist die Ballance zwischen
Überanstrengung und Unterforderung zu halten. Lustlaufen mit
Schpaz ist dafür eine einfache Methode.
Anfänger-Aufbautraining:
- Das Wichtigste ist das
richtige Tempo. Alle Anfänger überschätzen
sich bei der Wahl des Tempos. Das führt dazu, dass sie nach 5
Minuten laufen eigentlich fix und fertig sind.
− Aber das macht nichts. Nach ein paar Minuten Gehen ist
wieder Luft da und man kann weiter laufen. Diese Art Training
heißt Intervalltraining und ist für angehende
Ausdauersportler eigentlich unumgänglich und lehrreich.
- Die ersten paar Mal
genügt eine Trainingsdauer von 30 Minuten. Wenn
man die 30
Minuten dann durchlaufen kann und sich die Beinmuskulatur noch
leistungsbereit anfühlt, kann man um 5 Minuten erweitern usw.
- In den ersten Monaten
des Trainings hat man die größten Erfolgserlebnisse.
Die Erfolgsterlebnisse kommen geradezu freiwillig, wenn man
früh lernt, dass es kontraproduktiv ist, dem Kopf das Tempo
vorgeben zu lassen. Das versucht er jedes Mal. Mit der Schpaz-Methode
kann man ihm dann gut kontra bieten.
- Am Anfang wird man
öfters von Schmerzen in den Fußknöcheln,
Fersen oder den Knien heimgesucht. Solange man wenig Erfahrung mit
solchen Erscheinungen hat, sollte man das Training einstellen, bis die
Schmerzen zurückgehen. Mit wachsender Erfahrung wird man auch
Wege finden durch Reduzieren an richtiger Stelle den Schmerzen zu
begegnen.
- Schmerzen sind
sinnvolle Warnsignale des Körpers, um
frühzeitige
Totalausfälle und irreversible Schäden zu verhindern.
Laufeinteilung:
- Die ersten 10 Minuten
(Warmlaufen).
Die Muskulatur ohne Leistungsanspruch aufwärmen und den
Körper leistungsbereit machen.
- Von der 10ten bis zur
20ten Minute (Einlaufen). Der Körper ist jetzt
leitungsbereit. Der Laktatspiegel ist noch relativ niedrig. Deshalb
besteht die Gefahr, sich im 4*-Schpaz-Bereich zu überfordern
und so viel Lactat zu produzieren, dass der restliche Lauf zu einer
Qual wird, wenn das Tempo nicht drastisch reduziert wird.
- Von der 20ten bis zur
30ten Minute. Die Energieprozesse in den Beinmuskeln haben
sich jetzt
soweit eingependelt, dass die Muskulatur relativ schnell meldet, wenn
sie überfordert ist. Man sollte dann soweit
Intensität zurücknehmen, bis die Beine wieder leicht
laufen.
- Ab der 30sten Minute
(Lustlaufen). Wenn man sich in den ersten 30 Minuten nicht unterfordert
hat, sollten die Beine jetzt quasi von alleine Laufen. Die leichte
Euphorie
sollte einen nicht zur Selbstüberschätzung treiben,
sonst ist es mit dem Lustlaufen bald vorbei.
- Bis zur 60sten Minute.
Je nach Trainingsstand kann man die nächsten 30 Minuten oder
etwas kürzer Lustlaufen.
- Nach der 60sten Minute.
Die zunehmende Ermüdung führt zu
zunehmenden Schonhaltungen (Muskelschonung). Für die Beine
heißt das,
dass schleichend von Muskelarbeit auf Gelenk- und Knochenarbeit
umgestellt wird. Bei der Schienbeinmuslulatur bedeutet das z. B., dass
nicht mehr weich über die Ferse zum Ballen
abgerollt
wird, sondern dass der Fuß beim Aufsetzen aufpflatscht
− zu Lasten sämtlicher
Fußgelenke.
- Zu lang. Auch andere
Muskelgruppen versuchen Energie zu sparen. Das mündet in einem
fortschreitend uneleganten, energiesparenden Laufstil. So kann man noch
viele Kilometer hinter sich bringen (z. B. 42), aber gesund ist das
nicht. Spätestens wenn man merkt, dass man die
Füße nicht mehr bewegen kann, wie man will, solle
man über ein Ende des Laufs nachdenken, bevor man sich in
fischereske »Entlastungsphantasien« ergibt.
Bis dann in Wellville.
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E-Mail: Thilo Brai.
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